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Landtagssitzung am 01.06.2016 | TOP 9: TTIP- und CETA-Leaks ermöglichen öffentliche Auseinandersetzung mit transatlantischen Geheimabkommen - Erste Beratung

Video Landtagsrede am 01.06.2016: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>> Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

01.06.16 –

Video Landtagsrede am 01.06.2016: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>>

Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN meinen, dass nur ein fairer Handel ein wirklich freier Handel sein kann. Dazu braucht es größtmögliche Transparenz, und zwar nicht nur für die Vertreterinnen von Interessengruppen und Wirtschaftsverbänden, so wie es Herr Felgner ausgeführt hat. Auch die breite Öffentlichkeit muss informiert sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Bei TTIP ist das nicht der Fall. Daher begrüßen wir GRÜNEN die Veröffentlichung der bislang geheimen TTIP-Dokumente durch Greenpeace Niederlande.

Wir finden es unsäglich bitter, dass Transparenz erst auf diese Weise möglich wurde. Uns reicht das natürlich nicht. Wir werden uns weiterhin für Verbesserungen einsetzen. Deshalb hat die grüne Bundestagsfraktion die EU-Kommission und die Bundesregierung aufgefordert, mit einsehbaren Dokumenten umfassend zu informieren und dementsprechend im Leseraum des Bundeswirtschaftsministeriums keine Dokumente unnötig zurückzuhalten.

Die TTIP-Leaks bestätigen das, was wir schon lange befürchtet haben. Also, es ist in der Tat nichts Neues, aber die Bestätigung dessen, was wir befürchtet haben. Unser europäisches Vorsorgeprinzip soll dem amerikanischen risikobasierten Prinzip untergeordnet werden.

Letzteres bedeutet, alles darf genutzt werden und die Unbedenklichkeit wird so lange angenommen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Wir fordern aber, dass das Vorsorgeprinzip in allen Handelsverträgen verankert wird, damit Mensch und Umwelt geschützt werden.

TTIP und Ceta stehen beispielhaft für eine Politik, die hart erkämpfte Rechte und Standards bedroht, statt sie zu stärken. Schutzstandards werden zu Handelshemmnissen erklärt.

Nun, Herr Gürth, erhalten Sie einige Beispiele, nach denen Sie gefragt hatten.

Beispiel Gesundheitsschutz. In der EU sind 1 378 Inhaltsstoffe in Kosmetikartikeln verboten; in den USA sind es gerade einmal elf.

Beispiel Verbraucherschutz. Die EU-Bürgerinnen haben und wollen keine Gentechnik auf dem Teller. Doch die USA wollen ihre gentechnisch veränderten Lebensmittel verkaufen.

Beispiel Sozialstandards. Dazu hat Herr Gallert schon ausgeführt. Ich will nur sagen, wenn wir Produkte konsumieren oder Waren erhalten, die in der Konsequenz mit niedrigeren Sozialstandards produziert wurden, dann lehnen viele Menschen das ab, und wir auch.

TTIP will nicht nur auf der europäischen Seite Standards absenken, sondern es gibt Indizien, dass auch Europa Standards absenken will, zum Beispiel die strengeren amerikanischen Finanzmarktregularien. Auf beiden Seiten sollen also Marktinteressen durchgesetzt und geschützt werden.

Ich habe tatsächlich Dokumente gelesen, unter anderem einen Brief, den die Mitglieder des US-Senats   es war ein Unterausschuss, ein Landwirtschaftsausschuss   an den amerikanischen Chefverhandler geschrieben haben. Darin machen sie Druck, Agrarprodukte auf den EU-Markt zu bringen.

So besteht die Gefahr, dass die USA uns mit billigem Fleisch aus industriellen Tierhaltungsanlagen ohne jegliche Tierschutzstandards überschwemmen. Das Fleisch wird noch billiger sein, als es bei uns ist. Man weiß, wie hoch die Produktionskosten sind. Wir in Deutschland und in Europa haben jetzt schon ruinöse Erzeugerpreise. Das wäre also ein Nachteil für uns.

Dass wir leckeren Käse in die USA verkaufen könnten, ist ein Trugschluss. Warum? - Wenn die Amerikanerinnen diese Produkte in großem Umfang   ich rede jetzt nicht von Spezialitäten in Spezialitätengeschäften, sondern von großem Umfang zur Versorgung der Bevölkerung   gut fänden, dann hätten sie längst unsere Rezepturen übernommen, so wie es Russland macht. Das heißt, auch hierbei gibt es wieder keinen Vorteil für uns.

(Zuruf von Detlef Gürth, CDU)

In dem Brief wird weiterhin gefordert, dass die EU den Schutz regionaler Produkte aufhebt. Dazu gehören Produkte mit geschützten geografischen Angaben; also der Salzwedler Baumkuchen und die Halberstädter Würstchen könnten dann überall produziert werden. Die Regionalmarke „typisch Harz“ wäre bedroht.

Hier vor Ort verankerte Traditionsunternehmen würden krachen gehen. TTIP konterkariert unsere Bemühungen für mehr Regionalität und mehr regionale Wertschöpfung. Klimaschutz durch kurze Wege bleibt so auf der Strecke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt also unzählige Gründe, TTIP zu stoppen. Wir GRÜNEN sprechen uns für einen Stopp aus. Dieses TTIP mit einer Paralleljustiz über private Schiedsgerichte lehnen wir ab. Wir lehnen auch ein vorläufiges sowie das endgültige Inkrafttreten von Ceta aus inhaltlichen Gründen ab.

Herr Gallert hat einiges ausgeführt, warum das ein Angriff auf die Demokratie ist, weil es eben nicht demokratisch legitimiert ist. Auch dieses vorläufige Abkommen würde ohne Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat in Kraft gesetzt.

Das Land Baden-Württemberg hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich mit den Auswirkungen von Ceta auf den Gestaltungsspielraum von Ländern und Kommunen befasst. Das Gutachten kommt zu dem Fazit, dass dieser Spielraum verringert wird.

Vizepräsident Daniel Rausch:

Frau Frederking, kommen Sie bitte langsam zum Ende.

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich bräuchte noch 30 Sekunden. - Die öffentliche Daseinsvorsorge ist demnach ebenso von Ceta betroffen wie die Möglichkeit von Ländern und Kommunen, Regulierungen vorzunehmen. Beispielsweise die Beschaffungsrichtlinien, die viele Kommunen haben. Diese könnten sie dann gar nicht mehr durchsetzen.

Außerdem können Länder und Kommunen bei Schadenersatzzahlungen mit in die Verantwortung genommen werden, nachdem Investoren vor Schiedsgerichten erfolgreich gegen den Staat geklagt haben. Deshalb haben sich ja auch viele Kommunen in Sachsen-Anhalt gegen TTIP und Co. ausgesprochen, Magdeburg, Halle, Sangerhausen usw.

Die Koalition hat sich ja dafür ausgesprochen, bei europapolitischen Vorhaben auch Anhörungen durchzuführen. Darauf zielen Sie auch mit Ihrem Antrag ab.

Vizepräsident Daniel Rausch:

Frau Frederking, die 30 Sekunden sind gleich zu Ende. 

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Dann schlage ich vor, dass wir uns im Ausschuss über die Modalitäten verständigen, unter denen man eine solche Anhörung durchführen kann. - Danke.

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