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Landtagssitzung am 04.05.2017 | TOP 5: Tiergerechte Schweinehaltung umsetzen - glückliche Schweine erfordern politische Taten

Video Landtagsrede am 04.05.2017: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>> Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

04.05.17 –

Video Landtagsrede am 04.05.2017: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>>

Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Tiergerechte Schweinehaltung umsetzen“ fokussiert mit der Einleitung und den ersten zwei Forderungen auf die Sauenhaltung.

Wir alle wissen, dass zu den Hauptkritikpunkten die Kastenstandshaltungen im Deckzentrum und im Abferkelbereich zählen. Dort leiden die Tiere, weil sie in der Bewegung sehr stark eingeschränkt sind, ein monotones Dasein fristen müssen und ihre arteigenen Verhaltensweisen in keiner Weise ausleben können. Es kommt zu psychischen Folgeschäden und Verhaltensstörungen wie Stangenbeißen, Leerkauen oder zu der apathischen Haltung, auf dem Hinterteil sitzend, mit geschlossenen Augen und gesenktem Kopf.

Wir GRÜNEN wollen dieses Trauern der Sauen beenden.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Weg von der Einzelhaltung in Metallkäfigen, hin zur Gruppenhaltung und hin zum Abferkeln ohne Fixierung.

So ist es gut, dass von der Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert bereits entsprechende Initiativen bei den Agrarministerkonferenzen unterstützt und vorangetrieben wurden.

Der Tierschutzbeirat schrieb an den Landwirtschaftsausschuss, dass im Kastenstand den Tieren Leiden, teilweise in erheblicher und länger andauernder Form, und zum Teil Schmerzen und Schäden zugefügt werden. Namens meiner Fraktion möchte ich diese kritische Stellungnahme des Beirates würdigen und mich für die Handlungsempfehlungen zur Abschaffung der jetzigen Kastenstandshaltungen bedanken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Uns ist klar: Die Betriebe brauchen Verlässlichkeit sowie Planungs- und Investitionssicherheit. Für Bestandsanlagen kann den Betrieben ein Umbau nicht von heute auf morgen zugemutet werden. Es muss angemessene Übergangsfristen für die grundsätzliche Gruppenhaltung und das freie Abferkeln ohne Fixierung geben.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Für neue Anlagen erwarten wir allerdings, dass der praktikable Ausstieg aus diesen tierquälerischen, veralteten und nicht mehr zeitgemäßen Haltungssystemen durch neue Standards in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zügig realisiert wird. Hierzu kann ich schon sagen, dass unsere Ministerin vorhat, das im September 2017 bei der AMK zum Thema zu machen.

Der Alternativantrag der LINKEN will gleich die EU-weiten Standards verbessern. Das halten wir für fraglich. Der Agrarexperte Prof. Isermeyer empfiehlt eine nationale Nutztierstrategie, weil die EU das nicht hinbekommen wird.

Wir meinen: Sobald neue Standards in Deutschland funktionieren, müssen sie auf die EU-Ebene übertragen werden, damit die Wettbewerbsbedingungen überall gleich sind. - Ich sehe da schon Ihre Arme.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Keine Angst!)

- Gut. Ich werde gleich etwas dazu sagen. Ich mache hier schnell weiter. Ich hätte dazu noch etwas zu sagen.

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Wie dringend wir eine Neuausrichtung in der industriellen Tierhaltung brauchen, zeigt die gestrige Vorstellung des von Greenpeace in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens zur Mastschweinhaltung. Es kommt zu dem Schluss: Die heute zugelassenen Haltungsformen fügen den Tieren Schmerzen, Leiden und Schäden zu, sodass das geltende Tierschutzgesetz und der im Grundgesetzt verbriefte Tierschutz missachtet werden.

Aber ein Umsteuern in der Tierhaltung ist möglich. Das zeigen Länder wie Norwegen, Schweden, Österreich und die Schweiz, wo Stroheinstreu und das Verbot des Ringelschwanzkupierens durchgesetzt werden. Es gibt bereits praxistaugliche Lösungen. Von daher: Schluss mit perspektivlosen Strohlosversuchen zwecks Beibehaltung von Spaltenböden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Rufe nach Forschung und Entwicklung sind also nicht immer sachgerecht und sollten nicht zu einer Verzögerungstaktik werden. Eine artgerechte Tierhaltung löst zugleich die Probleme mit Antibiotikaresistenzen, mangelnder Gesellschaftsakzeptanz und ruinösen Erzeugerpreisen.

Billigproduktion zu Weltmarktpreisen und Tierschutz gehen nicht zusammen. Die Zukunftsperspektive lautet: Klasse statt Masse zu fairen Erzeugerpreisen. Wie wir die generieren können, haben wir schon des Öfteren dargelegt, unter anderem mit einer verbindlichen Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für alle Produkte.

Wir sind mittendrin, die Zukunft der Tierhaltung zu gestalten. Viele der heute vorliegenden Forderungen sind bereits adressiert und werden angegangen. Dazu trägt auch der gestern begonnene Dialogprozess „Leitbild Landwirtschaft 2030“ für Sachsen-Anhalt bei. Genau das ist der Platz, an dem alle Akteure ihre Vorstellungen einbringen sollen. Alles, was Konsens ist, wird im Leitbild festgehalten und ab Dezember 2017 umgesetzt.

Wir GRÜNEN werden uns hieran beteiligen. Wir setzen uns für eine Landwirtschaft ein, die wertschätzend mit den Tieren und schonend mit der Umwelt umgeht. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Kollegin Frederking. Es gibt eine Frage. Möchten Sie die beantworten?


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ja, gern.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Herr Roi, Sie haben das Wort. Bitte.


Daniel Roi (AfD):

Vielen Dank. - Frau Frederking, wenn wir über Tierwohl sprechen, dann sprechen wir über Anlagen, die es in Sachsen-Anhalt gibt. Es gibt die immer wieder thematisierte Schweineanlage in Maasdorf, das Hochhaus. Meine konkreten Fragen:

Erstens. Wie ist Ihre Position aktuell? Soll dieses Schweinehochhaus in Maasdorf geschlossen werden? Ja oder nein?

Zweitens. Was erwarten Sie von der Ministerin bezüglich des Schweinehochhauses in Maasdorf?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Die Frage hatte ich im Dezember schon einmal beantwortet. Meine Meinung dazu hat sich nicht geändert. In Maasdorf kann im Brandfall die Rettung der Tiere nicht sichergestellt werden. Von daher meinen wir, dass die Anlage in dieser Form nicht weiterbetrieben werden sollte.

Was erwarte ich von der Ministerin? - Das sind ja emissionsschutzrechtliche Fragen, der Brandschutz, also Baufragen. In diesem Fall ist sie meines Erachtens nicht zuständig. Das hatten wir doch auch schon im Dezember besprochen, dass es dabei um Baugenehmigungen usw. geht.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Es gibt weitere Fragen. Zuerst Herr Gallert oder

(Daniel Roi, AfD: Ich habe noch eine Nachfrage!)

erst Herr Gebhardt?

(Daniel Roi, AfD: Frau Präsidentin!)

- Sie haben eine Nachfrage?

(Daniel Roi, AfD: Ja!)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Dann müssen die anderen Herren noch warten. - Herr Roi, bitte.


Daniel Roi (AfD):

Es ist richtig, Sie haben darauf schon einmal geantwortet. Nun ist es aber so: Wir hatten dazu einen Selbstbefassungsantrag im Ausschuss. Dort haben wir über Maasdorf gesprochen. Dort haben die Experten gesagt, dass es keine Anlage gibt, in der eine Evakuierung stattfinden kann, wenn es zum Brandfall kommt.

Deshalb frage ich Sie jetzt: In welcher Schweineanlage in Sachsen-Anhalt ist es denn möglich, den Bestand im Brandfall zu evakuieren?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Wir haben in der letzten Legislaturperiode die Bauordnung von Sachsen-Anhalt novelliert. In § 14 geht es um Brandschutz und Brandrettung von Menschen und Tieren. Wir GRÜNEN haben damals mehrere Anträge eingebracht, um die Brandschutzsituation in Tierhaltungsanlagen über die Bauordnung zu verbessern.

Wir forderten unter anderem, noch mehr Brandwände einzuziehen bzw. die Stallräume zu verkleinern und die Rettungswege außen zu bauen - die Tiere laufen ja gern in einem engen Schlauch und nicht in der Gruppe  , also die Tiere zu leiten. Das sind unsere Vorschläge, um den Brandschutz zu verbessern.

Das ist prinzipiell möglich bei Anlagen, die ebenerdig gebaut worden sind. Aber in Maasdorf geht das aufgrund der Geometrie nicht und auch dadurch nicht, dass die Schweine im Fahrstuhl transportiert werden müssen.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Frau Frederking. Es gibt noch weitere Fragen; das habe ich eben schon gesagt. Jetzt ist Herr Gallert an der Reihe, dann Herr Gebhardt und danach Herr Daldrup. - Bitte, Herr Gallert.


Wulf Gallert (DIE LINKE):

Frau Frederking, es war nicht sonderlich überraschend, dass Sie unseren Antrag dahin gehend kritisieren, dass er auf der europäischen Ebene eine Lösung haben möchte. Wir sind uns durchaus im Klaren darüber, dass das immer auch als Ausrede dafür herhalten kann, erst einmal gar nichts zu tun.

Das Problem, vor dem wir stehen, ist jedoch, dass all diejenigen, die in diesem Bereich tätig sind, sich innerhalb der Europäischen Union in einem gemeinsamen Agrarmarkt befinden. Sie haben eindeutig das Problem: Wenn wir nationale Lösungen allein organisieren, exportieren wir innerhalb der Europäischen Union das Problem. Wir haben gerade mit den Anliegerländern Dänemark und Holland zwei Länder, die häufig als Argument dafür angeführt werden, dass wir keinen Alleingang machen können.

Jetzt brauchen wir für die Leute, die Schweinezucht betreiben, eine vernünftige ökonomische Antwort. Wir sagen: Wir können gar nicht anders; wir müssen diese Angelegenheit auch auf europäischer Ebene lösen, ansonsten werden wir vor Ort keine Akzeptanz dafür finden, nationale Verbesserungen voranzubringen. Was antworten Sie denn darauf?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich antworte, dass wir schon jetzt EU-weit Sonderlösungen haben. Schauen Sie sich wieder die Kastenstandshaltung an - Dänemark ist schon ausgestiegen. Dort ist das für Neuanlagen gar nicht mehr erforderlich. In Österreich gibt es kein Kupieren des Ringelschwanzes. Das heißt, die Staaten realisieren schon jetzt unterschiedliche Lösungen.

Ich finde, das ist eine Chance, voneinander zu lernen, das Gute zu übernehmen. Das ist auch eine Rechtfertigung, indem es zeigt: Es kann funktionieren. Das beflügelt uns ja gegenseitig, mit dem Tierschutz voranzugehen. Sobald etwas funktioniert, sollte es auch EU-weit umgesetzt werden.

(André Poggenburg, AfD: Nationalstaatlichkeit! So ist es! - Robert Farle, AfD: Die anderen lernen davon!)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Frau Frederking. - Herr Gebhardt, bitte.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Vielen Dank. - Frau Frederking, eine meiner Fragen ging in eine ähnliche Richtung. Sie haben es schon angedeutet, aber ich möchte es klar von Ihnen hören: Lehnen Sie EU-weite Standards grundsätzlich ab oder halten Sie sie zumindest perspektivisch für zielführend?

Die zweite Frage, die ich an Sie habe, ist die gleiche, die ich auch an den Kollegen Barth gerichtet habe: Welche Position haben Sie zu den Standpunkten der Bundesregierung, insbesondere des Bundeslandwirtschaftsministers, die in der öffentlichen Debatte sind? Inwieweit wird das, denken Sie, innerhalb der Koalition in Sachsen-Anhalt eine Rolle spielen?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Zu der ersten Frage. Ich danke Ihnen, dass Sie nachgefragt haben. Offensichtlich habe ich mich nicht so klar ausgedrückt, wie ich es eigentlich wollte.

Ja, wir wollen EU-weite Standards haben. Auch unsere jetzigen Standards, die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgehalten sind, fußen ja auf der EU-Schweinehaltungsrichtlinie. Diese gab es zuerst und dann ist das in nationales Recht umgesetzt worden.

Darüber hinaus sollten einheitliche Standards aber nicht davon abhalten, dass die Nationalstaaten vorangehen, mehr für den Tierschutz und die Umwelt tun, zeigen, dass es funktioniert. Wenn es funktioniert, sollte das von den anderen auch übernommen werden. Dabei setze ich natürlich darauf, dass unsere Fachministerinnen und  minister sich dann auf der EU-Ebene dafür starkmachen, dass es EU-weit umgesetzt wird.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

So steht es doch auch in unserem Antrag.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich habe das als ersten Schritt verstanden.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Okay, Frau Frederking. Es gibt noch eine Frage von Herrn Daldrup. - Sie haben das Wort, Herr Daldrup.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Aber meine andere Frage noch!)


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Entschuldigung. Die andere Frage habe ich noch nicht beantwortet. - Ich habe das in Ihrem Antrag als ersten Schritt verstanden, dass Sie erst EU-weite Standards wollen.

Die zweite Frage betraf das Agieren von Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt auf der Bundesebene. Er hat die Tierwohlinitiative gestartet und jetzt auch ein Tierwohllabel vorgeschlagen. Das basiert auf Freiwilligkeit. Wir halten das Tierwohllabel nicht für zielführend. Es ist schon deshalb nicht gut, weil es keine durchgängige Transparenz liefert.

Alles andere halten wir auch für höchst fragwürdig. Wenn ich an seine Ankündigungen denke, das Töten von männlichen Eintagsküken zu beenden     Das waren große Ankündigungen, die er da gemacht hat. Er wollte das schon zu Ostern umgesetzt sehen und passiert ist noch immer nichts. Er setzt also auf Freiwilligkeit; wir sagen, wir brauchen auch das Ordnungsrecht.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank.


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Ist das Koalitionskonsens?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Haben Sie jetzt noch eine Nachfrage, Herr Gebhardt?


Stefan Gebhardt (DIE LINKE):

Ich wollte fragen, ob das jetzt mit der Freiwilligkeit bzw. Pflichtigkeit die Koalitionsmeinung ist oder die Meinung der Fraktion.

Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Wir arbeiten uns an konkreten Sachthemen ab. Jetzt geht es auch um die Kastenstandshaltung, wozu Ministerin Frau Dalbert auf der Bundesebene auch verhandelt. Das wird letztendlich in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung verankert und ist somit Ordnungsrecht. Herr Barth hat das in seiner Rede auch gesagt.

(Markus Kurze, CDU: Genau!)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank. - Jetzt darf ich die Anfrage von Herrn Daldrup starten lassen. Bitte.


Bernhard Daldrup (CDU):

Frau Kollegin, würden Sie mir recht geben, dass in Maasdorf die Tiere gesetzeskonform gehalten werden? Wenn das so ist, warum stigmatisieren wir Maasdorf an dieser Stelle emotional, um die gesamte Schweinehaltung in Sachsen-Anhalt sozusagen an dieser Stelle auch ein bisschen zu diskreditieren?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Na ja, nach dem gestern vorgestellten Gutachten von Greenpeace wäre das ja nicht gesetzeskonform. Nach dem Tierschutzgesetz sollen Schmerzen, Leiden und Schäden ausgeschlossen werden und Tiere sollen sich auch entsprechend ihren arteigenen Bedürfnissen bewegen können. Aber Maasdorf genügt den rechtlichen Vorgaben und die Vorgabe ist in der Verordnung festgeschrieben worden. Zumindest ist uns in der letzten Ausschusssitzung berichtet worden, dass die Verordnung eingehalten wird.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist es!)

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