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Landtagssitzung am 27.01.2023 | TOP 20: Ermöglichung von betreuten Taubenschlägen und -häusern

Videos Landtagsreden am 27.01.2023, Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

15.01.23 –

Videos Landtagsrede am 27.01.2023:

 

Hier zum Video mit der Einbringung von Dorothea Frederking >>>

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Dieser Link ist mit dem Ende der 8. Legislatur ungültig!

Hier zum bündnisgrünen Antrag "Betreute Taubenschläge zur Reduzierung der Anzahl von Tauben und von Taubenkot im öffentlichen Raum ermöglichen" >>>

 

Einbringung im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Abgeordnete! Wer kennt das nicht: mit Taubenkot verschmutzte Plätze, Wege, Brunnen, Fassaden? Und manchmal findet man die tierische Hinterlassenschaft sogar in einem Glas oder auf einem Eis, und das ist alles andere als lecker.

Freilebende Stadttrauben sind keine Wildtiere. Es sind verwilderte Haustauben, weil sie immer aus dem häuslichen Bereich kommen. Sie haben ihren Ursprung z. B. als Brieftauben, aufgelassene Hochzeitstauben oder Rassetauben. Die Tiere leben in den Siedlungsgebieten und Städten, finden dort aber weder ausreichend noch artgerechtes Futter und hungern.

Für viele Menschen sind Stadttauben eine Plage. Deshalb wäre es gut, das Zusammenleben von Menschen und Tauben zu verbessern. Wir wollen weniger Verschmutzungen durch Taubenkot, insgesamt weniger freilebende Tauben und zugleich mehr Schutz für diese Tiere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür müssen die Tiere kontrolliert und artgerecht gefüttert werden dürfen und ein Austausch ihrer Eier gegen Gipseier muss ermöglicht werden. Doch genau das wird heute behindert. Der Grund ist, dass Sachsen-Anhalt als eines von zwei Bundesländern verwilderte Haustauben als Schädlinge eingestuft hat.

Aufgrund des Schädlingsstatus sprechen die Kommunen Fütterungsverbote aus, sodass eine kontrollierte und betreute Fütterung in Taubenhäusern und Taubenschlägen erschwert wird oder sogar unmöglich wird. Deshalb fordern wir, dass die sachsen-anhaltische Schädlingsbekämpfungsverordnung korrigiert wird und dort der Status der verwilderten Haustaube als Schädling gestrichen wird.

(Unruhe)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Meine Damen und Herren! Könnten Sie dem Thema bitte etwas Aufmerksamkeit schenken. Aufmerksamkeit ist vielleicht übertrieben, aber ich bitte um etwas mehr Ruhe im Plenum, damit diejenigen, die das möchten, auch der Rede ihre Aufmerksamkeit widmen können. - Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

In mehreren Rechtsprechungen wurde begründet, dass freilebende Stadttauben keine obligatorischen Gesundheitsschädlinge sind und von ihnen keine besonderen Gefährdungen für die menschliche Gesundheit ausgehen. Ein Sachverständigengutachten des Robert-Koch-Instituts hat einen Großteil der Aussagen, Tauben seien gefährliche Überträger von Krankheitserregern, zurückgenommen.

(Unruhe)

Das Robert-Koch-Institut hat im letzten Jahr noch einmal ausgeführt, dass bei Tauben zwar humanpathogene Keime und Krankheitserreger nachgewiesen werden, dass es aber keine gesicherte Übertragung auf den Menschen gibt bzw. nur in wenigen Fällen und das Risiko hierfür insgesamt gering ist.

Bereits im Jahr 1998 hat das damalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in einer fachlichen Beurteilung festgestellt, dass es keine zwingenden Anhaltspunkte für eine generelle Einstufung freilebender Tauben als Schädlinge gibt. Durch die große Nähe zu Menschen sei zwar eine Übertragung von Krankheitserregern durch freilebende Tauben auf den Menschen prinzipiell möglich; dies gelte jedoch im gleichen Maße auch für andere in Städten lebende Wildvogelarten oder auch für Säugetierarten.

Noch deutlicher formuliert dieses Bundesinstitut   ich zitiere  :

„Es wäre absurd, alle in der Umgebung des Menschen lebende und hierdurch zwangsläufig auch mit dessen Krankheitserregern in Berührung kommende Tierarten allein aus diesem Grund als Gesundheitsschädlinge einzustufen. In dieser Hinsicht dürfte der weitaus engere Kontakt mit Heimtieren größere Gefahren bergen.“

Zusammenfassend sagen die Beurteilungen seit 1998, eine Übertragung von Krankheitserregern durch verwilderte Haustauben auf den Menschen ist prinzipiell möglich, aber die Gesundheitsgefährdung entspricht der bei anderen Tierarten. Von Stadttauben gehen keine besonderen Gesundheitsgefährdungen aus. Die Stadttauben als Ratten der Lüfte abzustempeln, ist fachlich überholt.

Es stellt sich die interessante Frage, wie die Tauben heute eigentlich leben.

(Lachen bei der CDU und bei der AfD - Zurufe von der AfD)

In den Städten finden die Tiere kaum geeignetes Futter. Die Tiere hungern und viele verhungern sogar. Trotz Mangel und Fehlernährung nimmt die Anzahl der Tauben nicht ab, weil sie die Brut nicht einstellen. Ich hatte eingangs erläutert, dass es ursprünglich Haustauben sind, denen ein ganzjähriges Brutverhalten angezüchtet worden ist.

Für die Nahrungsaufnahme bleiben ihnen oft nur Abfälle und weggeworfene Essensreste. Auf der Suche nach Nahrung wickeln sich auch oft Haare, Drähte und Fäden um die schuppigen Füße. Dadurch kommt es zu Einschnürungen, Abschnürungen und Entzündungen oder Füße und Beine sterben sogar ab. Auch einige Vergrämungsmaßnahmen, wie verletzende mechanische Abwehrsysteme oder Klebepasten, sind qualvoll. All das führt bei den Tieren zu Schmerzen, Leiden oder Schäden. Diese tierschutzwidrigen Zustände verstoßen auch gegen das Tierschutzgesetz und müssen beendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der AfD: Also einsammeln und eine Suppe daraus machen!)

Deshalb muss das kontrollierte und betreute Füttern auch erlaubt werden. Dazu muss der Schädlingsstatus weg, damit die Kommunen ihre Vorbehalte verlieren und sich für das Wohlbefinden der Tiere auch einsetzen wollen. Sobald das Füttern erlaubt ist, soll es sich auf von der Kommune autorisierte Personen beschränken. Das heißt, für die uns allen bekannten Menschen, die mit großen Plastetüten kommen und ihre Brotreste auskippen wollen, soll das Fütterungsverbot natürlich weiterhin gelten.

Die kontrollierte und betreute Fütterung funktioniert am besten in Taubenschlägen und  häusern. Einige Städte haben damit gute Erfahrungen gemacht. In Augsburg wird seit 2017 vom Tierschutzverein Augsburg und Umgebung e. V. das Augsburger Stadttaubenmodell geleitet. Zentrales Element sind betreute Taubenschläge, auch in denkmalgeschützten Gebäuden. Dort gibt es aktuell zehn Taubenschläge und zwei Taubentürme.

Diese wurden gerade an den Stellen realisiert, an denen es Probleme mit den Tieren gab. Durch die artgerechte Futterversorgung verbringen die Tiere die meiste Zeit im Schlag. Die Gelege werden durch Eiattrappen ersetzt. Die Taubentürme und Taubenschläge werden regelmäßig gesäubert und desinfiziert. Pro Jahr werden 5 t Kot aus den Türmen und Schlägen entnommen; diese Kotmenge fällt dann natürlich nicht mehr im öffentlichen Raum an. Dadurch wird das Stadtgebiet entlastet.

Die Anzahl der Tauben in Augsburg blieb zunächst konstant; mittlerweile nimmt die Anzahl der Tauben ab. Die Tiere sind gesund, bevorzugen ihren Schlag und halten sich auch von den Häusern von den Plätzen fern, an denen sie vorher zu den Verschmutzungen geführt haben.

Wir bitten die Landesregierung weiterhin, die Kommunen für die tierschutzrechtlichen Aspekte bei Stadttauben zu sensibilisieren und mit Informationen zu unterstützen. Der Tierschutzbeirat des Landes Niedersachsen hat bereits Empfehlungen zur tierschutzgerechten Bestandskontrolle der Stadttaubenpopulation herausgegeben. Diese Informationen könnten uns in Sachsen-Anhalt auch als Vorbild dienen.

Lassen Sie uns also Veränderungen für mehr Tierschutz, für weniger Verschmutzungen und insgesamt weniger Tauben in den Städten auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Debattenbeitrag im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Bevor ich mit meinem eigentlichen Redebeitrag beginne, möchte ich der falschen Tatsachenbehauptung von Herrn Loth entgegentreten. Alle können das in der Begründung zu dem Antrag nachlesen. Ich nenne selbstverständlich die Quelle. Das war das damalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin. - Lesen hilft also, Herr Loth.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Hannes Loth, AfD)

Nun zum Antrag. Das Ziel unseres Antrages ist es, Taubenhäuser und Taubenschläge einfacher zu ermöglichen. Das heißt, diejenigen - wie in Magdeburg die Interessengemeinschaft Innenstadt oder das Allee-Center  , die das machen wollen, sollen das dürfen. Es geht also um die Ermöglichung von Taubenhäusern und Taubenschlägen. Und an die Adresse von Herrn Lange gerichtet: Es geht nicht um eine Verpflichtung für die Kommunen.

Wenn wir den Tauben ein Angebot für eine tierwohlgerechte Umgebung machen, dann hätte das gleich drei Vorteile:

Erstens. Die Verschmutzungen im öffentlichen Raum mit Taubenkot werden reduziert. Das bedeutet zugleich weniger Reinigungsarbeiten und dass aufwendige Vergrämungsmaßnahmen mit Drähten, Metallstacheln, Netzen nicht mehr nötig wären.

Zweitens. Durch den Eieraustausch wird die Taubenpopulation reduziert.

Drittens. Die Tauben bekommen vernünftiges und ausreichendes Futter, müssen nicht mehr verhungern. Sie werden einfach besser geschützt.

Wenn diese Ziele auch gut mit anderen Maßnahmen erreicht werden können, so soll dem nichts entgegenstehen. Es kam ja heute das Stichwort „Antibabypille für die Taube“. Aber dann müssen diese Maßnahmen eben in die Hand genommen werden.

(Zuruf: Ja!)

Für Taubenschläge und Taubenhäuser gibt es Initiativen, die das machen möchten. Ich habe zwei aus Magdeburg genannt.

Aber diesen Initiativen stehen zurzeit Hemmnisse durch die Fütterungsverbote im Wege. Deshalb soll der Schädlingsstatus, der diese Fütterungsverbote begründet, aus der Schädlingsbekämpfungsverordnung des Landes gestrichen werden.

Ich möchte betonen: 14 Bundesländer stufen die Stadttauben nicht mehr als Schädling ein. Das machen nur noch Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Schädlingsstatus für freilebende Stadttauben ist längst überholt. Das wurde in mehreren Rechtsprechungen und im Mai 2022 noch einmal vom Robert-Koch-Institut bestätigt.

Wenn der Antrag in den Sozialausschuss überwiesen werden sollte, dann bitte ich darum, zusätzlich auch Vertreterinnen aus dem Landwirtschaftsministerium einzuladen, damit auch der Tierschutzaspekt beleuchtet werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU: Ja!)


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Es gibt zwei Interventionen. Zunächst möchte Herr Lange intervenieren und danach Herr Loth. - Herr Lange, bitte.


Hendrik Lange (DIE LINKE):

Frau Frederking, nicht, dass an dieser Stelle irgendein Missverständnis im Raum stehen bleibt: Ich habe den GRÜNEN nicht unterstellt, dass sie eine Pflicht daraus machen wollen. Die Kommunen haben selbst ein Interesse daran, die Taubenpopulation zu regulieren. Sie haben zurzeit eine Pflicht aus der Gefahrenabwehr heraus.

Ich habe angesprochen, dass Sie den Kommunen mit dem Antrag insofern nicht helfen, als es oftmals eine finanzielle Frage ist, ob man sich diese relative teure Form der Populationsregulierung, wie Eier entnehmen usw. usf., überhaupt leisten können. In einem solchen Antrag hätte ich mir gewünscht, dass Sie dafür bspw. auf der Landesebene einen Fonds vorschlagen. Darauf bezog sich meine Anmerkung und überhaupt gar nicht auf die Frage nach einer Pflicht.


Vizepräsidentin Anne-Marie Keding:

Frau Frederking, wollen Sie darauf direkt reagieren?


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ja, darauf möchte ich gern reagieren. - Die Fütterungsverbote, Herr Lange, werden von den Kommunen ausgesprochen. Sie werden nicht vom Land ausgesprochen. Sie werden in den Verordnungen der Kommunen festgelegt. Wenn im ersten Schritt, die Fütterungsverbote aufgehoben werden, dann könnten sich private Initiativen wie Tierschutzinitiativen   ich habe eine genannt: das ist in Magdeburg die Interessengemeinschaft Innenstadt, die möchte, dass an bestimmten Hotspots die Verschmutzungen reduziert werden   dort auf privater Ebene einbringen und könnten das bezahlen.

(Unruhe)

Wenn sich in einem weiteren Schritt herausstellen sollte, dass es ein gutes Modell ist, solche Taubenschläge und Taubenhäuser zu betreiben, und dass das von den Kommunen eine finanzielle Unterstützung erfahren sollte, dann kann man auch durchaus über eine solche Förderung nachdenken. Aber das würde ich im zweiten Schritt nachschießen. Wichtig wäre jetzt, dass das erst einmal im ersten Schritt für all diejenigen, die es machen wollen, überhaupt ermöglicht wird.

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