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Landtagssitzung am 23.05.2019 | TOP 5 b: Aktuelle Debatte | Deutscher Wald in Gefahr: Behandeln wir unseren Wald systemrelevant oder nicht?

Video Landtagsrede am 23.05.2019: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>> Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

23.05.19 –

Video Landtagsrede am 23.05.2019: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>>

Hier zur gesamten Debatte mit allen Redebeiträgen und Drucksache 7/4387 >>>

Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor 300 Jahren schrieb Hans Carl von Carlowitz sein Werk zur Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft. Anlass war der Raubbau am Wald für den sächsischen Bergbau. Darüber hinaus erlebte von Carlowitz bis zum Jahr 1710 Naturkatastrophen wie extrem niederschlagarme Sommer, Stürme und Borkenkäferbefall, die den Wäldern schwere Schäden zufügten.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- Genau. Was ist der Unterschied? - Doch damals kamen diese Wetterextreme längst nicht so häufig vor und waren nicht so heftig, sodass die Wälder sich erholen konnten.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ulrich Thomas, CDU: Sie waren doch gar nicht dabei damals!)

Auch wir haben es mit katastrophalen Schäden im Wald durch Stürme, die Dürre im Jahr 2018 und den Borkenkäferbefall zu tun. Aber anders als von Carlowitz wissen wir nicht, ob da, wo einmal Bäume standen, jemals wieder Wald wachsen wird. Wer jetzt so tut, als müssten wir alle nur die Ärmel hochkrempeln und alles weiter ginge wie bisher, und wer nach mehr Personal sowie nach mehr Geld ruft, der verkennt die Problemlage.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer zudem der Ministerin Claudia Dalbert die Schuld für die Misere gibt und 53 000 private Waldbesitzer dazu verführt, dieses zu glauben, handelt fahrlässig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn solche Vorwürfe verstellen den Blick auf das Wesentliche und werden den Herausforderungen nicht gerecht.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE)

Deshalb freue ich mich über den sachlichen Stil in der heutigen Debatte. Dieser sollte fortgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass wir eine ehrliche Anerkennung der Schadensursache brauchen. Die liegt im Klimawandel und nicht bei Frau Dalbert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aufgrund des Klimawandels verändern sich die Ökosysteme so gravierend, dass wir mit ihren bisherigen Funktionen nicht mehr rechnen können. Auf das jahrhundertealte forstliche Wissen können wir uns nicht mehr gesichert verlassen. Alles ist im Umbruch, und zwar rasant schnell. Bisherige Gewissheiten brechen uns weg. Was früher einmal war, das gilt nicht mehr. Die Trockenperioden werden sich verstetigen. Wir müssen uns ehrlich die Frage beantworten, wo überhaupt noch Waldbau möglich ist, wenn das Wasser schwindet.

Eine Dürre wie im Jahr 2018 trocknet den Boden von unten aus. Mit welchen waldbaulichen Maßnahmen kann Waldbau noch erfolgreich betrieben werden? Im Februar lernten wir bei unserem Fraktionsbesuch in Annaburg, dass der Waldboden, bevor die Pflanzen eingesetzt werden, aufgemeißelt werden muss. Früher reichte dafür ein kleiner Pflug.

In dieser Aktuellen Debatte wird nach der Systemrelevanz gefragt. Ja, Wälder sind enorm relevant für intakte Ökosysteme und sind entscheidende CO2-Senken. Mit ihren Nutz-, Schutz-, Klima- und Erholungsfunktionen sind sie wahre Alleskönner und tragen zur wirtschaftlichen Leistung im ländlichen Raum bei. Ja, Wälder sind systemrelevant. Es gilt, sie zu erhalten und zu mehren. Dafür verdienen die Waldeigentümer nicht nur Anerkennung, sondern auch die bestmögliche Unterstützung.

Der Wald ist in seiner Existenz gefährdet. Das wurde uns von einem Experten im letzten November bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitgeteilt. Im Dürrejahr 2018 sind Millionen von Setzlingen aus drei Jahrgängen vertrocknet und eine ganze Waldgeneration ist verdorrt. Zudem sind auch Wälder verbrannt. Die Situation ist erschütternd. Die Waldeigentümer dürfen mit den Schäden und den Herausforderungen des Klimas nicht allein gelassen werden. Ihr Ruf nach Hilfe ist berechtigt, aber ihr Schimpfen nicht.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Vor einem Jahr habe ich bei unserem Waldbesuch in Rottleberode gesagt, dass Ministerin Dalbert einige Maßnahmen zur Unterstützung der Forstwirtschaft bei der Schadenbewältigung auf den Weg gebracht hatte: die Lockerung des Kabotageverbotes, Steuererleichterungen, die Zurverfügungstellung von Luftbildern, die Einrichtung von Nasslagern und die Freigabe von Saatgutreserven.

Ich hatte damals aber auch zum Ausdruck gebracht, dass fortlaufend alle Maßnahmen auf den Prüfstand müssen, damit erforderliche Verbesserungen initiiert werden können.

Für eine bessere Unterstützung durch das Land sind inzwischen einige Nachsteuerungen erfolgt. Nennen möchte ich die Vereinfachung der Waldumbaurichtlinie und eine neue Förderrichtlinie, mit der private Waldbesitzer bei Schäden finanzielle Hilfe bekommen, zum Beispiel Zuschüsse zur Beräumung.

Auch die Steigerung der regionalen Wertschöpfung ist sinnvoll. Die Idee ist ja, dass im Rahmen des Strukturwandels, der Strukturwandelfördermittel, die auch im Landkreis Mansfeld-Südharz ausgereicht werden sollen, ein „Innovationshub Zukunft Holz“ errichtet wird. Dabei wird es um vielfältige Aufgaben gehen, auch darum, dass innovative Lösungen gefunden werden, wie Holz noch genutzt werden kann.

Wir hatten hier im Landtag die Debatte „Holz als ökologischen Baustoff stärker einsetzen“. Gegebenenfalls sind dabei auch Änderungen an der Bauordnung erforderlich. Falls das so sein sollte, würden wir uns als GRÜNE natürlich auf Ihre Unterstützung freuen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Inzwischen hat das MULE mit Anregungen und auf Bitte des Landesbeirats Holz eine umfangreiche Auflistung aller Maßnahmen als Aktionsplan „Wald- und Forstwirtschaft 2025“ zusammengestellt.

Diese systematische Vorgehensweise ist ganz genau richtig. Von allen Seiten müssen Wissen, Einschätzungen und Vorschläge zusammengetragen und sachlich-fachlich diskutiert werden, um am Ende Lösungsansätze zu bekommen. Wir brauchen einen sach- und lösungsorientierten Umgang miteinander.

Ich hoffe auch, dass der Verkehrsminister bald eine Einladung zum Landesbeirat Holz aussprechen wird, um die Vorschläge zum Kabotageverbot und der Holzlogistik zu diskutieren.

Zu diesen Fragen und Lösungsvorschlägen kommen wir leider viel zu selten. Zu häufig werden nur Schuldzuweisungen betrieben. Das wird unseren Wäldern nicht gerecht. Aber nach der heutigen sachlichen Debatte - ich hatte es vorhin schon gesagt - bin ich guter Hoffnung, dass sich das ändern wird.

(Ulrich Thomas, CDU: Dann ist es ja gut!)

Um die Wälder für das 21. Jahrhundert und darüber hinaus fit zu machen, brauchen wir die richtige Wahl der Baumarten, mehr Mischbestände, zweckmäßige Pflanzverbände, rechtzeitige Pflege jüngerer Bestände, die Anlage von Waldaußenrändern, damit die Wälder auch dem Sturm standhalten können.

Was mich besorgt, ist dieses: Wenn ich mit Fachleuten spreche, wird leider meine Einschätzung bestätigt, dass der Waldumbau zwar der richtige Weg ist, aber nicht ausreichen wird.

Das Wassermanagement wird im Forst genauso wie in der Landwirtschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten neu gedacht und verändert werden müssen. Ich sagte es am Anfang meiner Rede: Wasser ist der Knackpunkt. Und wenn das Wasser in entsprechendem Umfang nicht mehr da ist, dann können wir möglicherweise an einigen Stellen auch keinen Waldbau mehr betreiben.

Für den Umbau zu klimastabileren Mischwäldern ist mehr Personal erforderlich. Deswegen bin ich froh, dass uns in dieser Legislaturperiode die Trendwende gelungen ist und der Stellenabbau gestoppt wurde, ohne zulasten anderer wichtiger Aufgaben zu gehen.

(Guido Heuer, CDU: Wenn es nach euch gegangen wäre, wäre das so weiter gegangen!)

Schlussendlich plädiere ich für mehr Ehrlichkeit, für mehr Ehrlichkeit, Herr Heuer,

(Beifall bei den GRÜNEN)

in der Debatte um den Forst und auch bei der Erarbeitung von Lösungen für ein dauerhaftes Bestehen des Waldes. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Frau Frederking. - Ich sehe auch hier keine weiteren Nachfragen. Damit ist auch der Tagesordnungspunkt beendet, denn Beschlüsse in der Sache werden auch hier nicht gefasst.

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