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Landtagssitzung am 30.01.2020 | TOP 6: Braunkohlestandort Sachsen-Anhalt

Video Landtagsrede am 30.01.2020: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>> Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

30.01.20 – von Dorothea Frederking –

Video Landtagsrede am 30.01.2020: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>>

Hier zur gesamten Debatte mit allen Redebeiträgen und Drucksachen 7/5542, 7/2877, 7/2916 und 7/5542 >>>

Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

 

Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Klimawandel verschärft sich dramatisch, die Probleme werden immer dringlicher. So ist es gut, dass der Kohleausstieg auch ein gesellschaftlicher Kompromiss ist, dass er kommt und dass er unumkehrbar ist.

Allerdings haben wir Grünen auch immer gesagt, dass der Fahrplan der Kohlekommission ein Minimalkompromiss ist, denn bis zum vorgeschlagenen Enddatum 2038 können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden.
 
Wir setzen deshalb auf die verankerte Revisionsklausel, damit in den Jahren 2023, 2026 und 2029 nachgeschärft und der Kohleausstieg beschleunigt werden kann, falls das erforderlich ist. Wir gehen tatsächlich jetzt schon davon aus, dass das erforderlich sein wird.

Das, was die Bundesregierung jetzt allerdings aktuell mit dem Kohleausstiegsgesetz vorgelegt hat, ist ein verantwortungsloser und dreister Bruch mit dem Kohlekompromiss. Das Abschalten einiger Kraftwerke passiert viel zu spät und dann auch noch gehäuft, statt stetig. Mit Datteln 4 soll ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz gehen und in Nordrhein-Westfalen sollen immer noch Dörfer abgebaggert werden.

Außerdem bestehen Zweifel, dass die CO2-Zertifikate auch tatsächlich im Emissionshandel gelöscht werden, weil die Regelungen dafür noch gar nicht da sind. Das alles entspricht nicht der Intention der Kohlekommission und steigende Emissionen sind die Folge. Klimapolitisch ist das irrsinnig und für die Stromnetze unnötig belastend.

Was wir jetzt brauchen, ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Das ist auch ökonomisch ein Vorteil, weil ihre Stromentstehungskosten nach unten gegangen sind

(Jens Kolze, CDU: Aber nicht für die Bürger!)

und sie langfristig auch preisdämpfend wirken. Seit Monaten wird gefordert, dass der Ausbaudeckel bei PV abgeschafft wird; Herr Hövelmann ist schon darauf eingegangen. Das muss endlich kommen.

Auch bei Wind-Onshore - wir haben darüber hier im Landtag gesprochen - ist der Ausbau eingebrochen. Wir brauchen wirklich schnelle Entscheidungen, wir brauchen größere Ausschreibungsmengen, wir brauchen klare Flächenziele für Windvorranggebiete.

Wir können es uns nicht erlauben, dass es hier eine Versorgungslücke gibt. Wir können es uns nicht erlauben, damit eine Rechtfertigung zu haben, um alte Kraftwerke, wie Kohlekraftwerke und Atomkraftwerke, weiterlaufen zu lassen. Einer solchen Entwicklung müssen wir ganz entschieden entgegentreten.

Die Zeit der Kohle läuft aus. Die Zeit der erneuerbaren Energien ist da. Wir müssen uns trauen, alle Entscheidungen für eine hundertprozentige Erneuerung mit erneuerbaren Energien zu treffen.

Der Kohleausstieg birgt auch eine unglaublich große Chance. Die drei Kohleregionen können dann wirklich zu zukunftsfähigen und festen Wirtschaftsregionen entwickelt werden. In diesen Regionen können dann auch Antworten auf die wichtigen Zukunftsfragen gegeben werden: Wie sieht es zum Beispiel aus mit der Speicherfrage? Das kann alles bei uns und in den Kohleregionen beantwortet werden. Es geht um Innovationen, erneuerbare Energien, Reallabore, Forschungsinitiativen und auch Infrastrukturmaßnahmen wie den Schienenausbau.

Für Sachsen-Anhalt sind jährlich 240 Millionen € vorgesehen an Strukturfördermitteln für 20 Jahre. Diese Mittel können dann auch genutzt werden für Investitionen und Aktivitäten, die auch eine nachhaltige wirtschaftliche Dynamik entfalten.

Für Sachsen-Anhalt gibt es wunderbare Perspektiven, gerade den Chemiestandort im Süden des Landes zu profilieren durch innovative Produkte und neue Geschäftsmodelle mit Produkten mit einem kleinen CO2-Rucksack.

Wir sind in Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg. Als einziges der drei betroffenen ostdeutschen Bundesländer konnte Sachsen-Anhalt zwei Reallabore vom Bundeswirtschaftsministerium bestätigt sehen: zum einen das Speicherprojekt in Bad Lauchstädt, wo in einer Salzkaverne regenerativ erzeugter Wasserstoff gespeichert werden soll, und zum anderen eine Modellregion mit Wasserstoffwirtschaft, wo aus Windstrom Wasserstoff gemacht wird, der in den Chemieparks in Leuna und Bitterfeld genutzt werden soll sowohl für die Chemieproduktion als auch für die Energieversorgung.

Energiewende und Chemieindustrie können sehr gut Hand in Hand gehen. So können wegbrechende Arbeitsplätze in der Braunkohle durch neue Industriearbeitsplätze ersetzt werden.

Ich bin zuversichtlich, dass der Strukturwandel gelingt. Nun brauchen wir Planungssicherheit vom Bund. Deshalb bitte ich die Landesregierung, in Berlin ein bisschen Druck zu machen, damit das Strukturstärkungsgesetz jetzt auch schnell kommt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Frau Abg. Frederking. - Es gibt eine Wortmeldung des Abg. Herrn Farle.

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Oha! Meine Güte!)

Herr Farle, Sie haben jetzt das Wort.


Robert Farle (AfD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich habe natürlich genauso wenig Lust, noch etwas dazu zu sagen, wie das hier der Fall ist.

(Swen Knöchel, DIE LINKE: Aber Sie tun es!)

Andererseits, wenn der Herr Ministerpräsident hier spricht, dann möchte ich doch dazu sagen: Es geht hier um 16 000 Arbeitsplätze, gut bezahlte Arbeitsplätze.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

In der Chemieindustrie.


Robert Farle (AfD):

Die Revisionsklausel kann man in zweierlei Richtung auslegen: Entweder man sagt, wie Sie das wollen: „Die Arbeitsplätze in der Braunkohle sollen schneller wegfallen.“ Man kann die Revisionsklausel aber auch so auslegen, wie ich sie jetzt für die AfD auslege: Wenn es keine Ersatzarbeitsplätze in den Dimensionen gibt, die wir brauchen, dann steigen wir aus dem Ausstieg wieder aus. So einfach ist das, weil CO2 ein sehr gesundes Gas ist,

(Kerstin Eisenreich, DIE LINKE: Ach!)

das bei den Menschen entsteht, wenn sie ausatmen, und welches die Pflanzen und Bäume aufnehmen. Ohne CO2 gibt es kein Leben auf diesem Planeten.

(Beifall bei der AfD)

Wenn Sie das nicht begreifen, dann haben Sie nichts begriffen, gar nichts.

(Beifall bei der AfD)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, Sie haben jetzt die Möglichkeit, darauf zu erwidern.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Zu den direkten Arbeitsplätze in der Braunkohle im Mitteldeutschen Revier, sprich in den Kraftwerken und auch in den Braunkohletagebauen - das Mitteldeutsche Revier ist nicht nur in Sachsen-Anhalt, es erstreckt sich ja über Sachsen hinaus  , möchte ich klarstellen: Es sind 2 600 direkte Arbeitsplätze. Genannt wurde diese Zahl in der Antwort auf eine Kleine Anfrage, die ich an die Landesregierung gestellt habe.

Dass diese Zahl sehr valide ist, sieht man daran, dass die Kohlekommission - die musste sich auch anschauen, wo es welche Arbeitsplätze gibt; die hat ja auch erst einmal den Bestand erfasst - auf 2 300 direkte Arbeitsplätze kommt. Darüber reden wir.

An der Versorgung mit Strom und Wärme durch die Braunkohle hängt ganz entscheidend auch die Chemieindustrie. Genau deshalb sollten ja Innovationen entwickelt werden, sollen Techniken vorangebracht werden, die die Energieversorgung und die Arbeitsplätze substituieren können. Wenn wir Speichertechniken haben, erledigen die sich ja nicht von selbst.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Hätten!)

- Die werden jetzt auf den Weg gebracht, wir haben ja dieses Reallabor.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Aber jetzt noch nicht!)

Natürlich gibt es über 20 000 Arbeitsplätze für neue Techniken, beispielsweise im Bereich der erneuerbaren Energien. Das ist nur ein Fall. So werden natürlich neue Arbeitsplätze bei der Speicherung oder auch bei der Herstellung geschaffen. Man muss den Wasserstoff ja erst einmal mit den Elektrolyseuren aus dem Windstrom machen. So werden überall Arbeitsplätze geschaffen; denn das erledigt sich nicht von selbst.

Dadurch ergibt sich natürlich auch - ich glaube, das habe ich in meinem Redebeitrag auch anreißen können - der Zusammenhang mit neuen Techniken, mit neuer Energieversorgung durch die Wasserstoffwirtschaft zusammen mit der Chemieindustrie. Die arbeiten wunderbar Hand in Hand.

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