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15.10.19 –
MAGDEBURG. Mit einem Referentenentwurf zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungs-verordnung (TierSchNutztV) aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium von Julia Klöckner (CDU) vom 28. Mai 2019 sollen die heutigen rechtswidrigen Praktiken von zu engen Kastenständen in der Sauenhaltung dauerhaft legalisiert werden. Ein Kastenstand ist ein Metallkäfig, in dem die Sau einzeln ohne Bewegungsfreiheit eingesperrt ist.
Passus zum Ausstrecken der Gliedmaßen soll vollständig gestrichen werden
Die agrarpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, Dorothea Frederking, erklärt dazu:
„Mit diesem Vorstoß aus dem Ministerium soll den Sauen sogar das seit 1988 gültige Recht genommen werden, in Seitenlage ihre Beine ausstrecken zu können. Der Passus zum Ausstrecken der Gliedmaßen soll vollständig gestrichen werden. Das würde bedeuten: Tierhalter bekommen dauerhaft die Erlaubnis, die Sauen künftig qualvoll in den Käfigen einquetschen zu dürfen.“
Skandal: Illegale Praxis soll durch Verschlechterung der rechtlichen Vorgaben legalisiert werden
„Der Bund will eingequetschte Schweine in Kastenständen legalisieren. Dieser Vorgang ist ein Skandal ohnegleichen. Es kann nicht sein, dass geltendes Recht aus wirtschaftlichen Gründen nicht umgesetzt wird und die illegale Praxis im Nachhinein durch eine Verschlechterung der rechtlichen Vorgaben legalisiert wird. Das verstößt sogar gegen das Verschlechterungsverbot. Denn nach Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz darf es keine Rückschritte mehr beim Tierschutz geben.“
Magdeburger Oberverwaltungsgericht (OVG) stellte klar: Die Tiere müssen mehr Platz bekommen!
„Bislang ist in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung klar geregelt, dass die Sauen in Seitenlage die Beine ausstrecken können müssen. Dies wird aber in der Praxis vielfach nicht umgesetzt.
Veranlasst durch diese Rechtsverstöße stellte das Magdeburger Oberverwaltungsgericht (OVG) im November 2015 in einem bahnbrechenden Urteil klar, dass Kastenstände in der Sauenhaltung so beschaffen sein müssen, dass die Sauen in Seitenlage die Beine ungehindert und verletzungsfrei ausstrecken können müssen, ohne sich mit einem Schwein im benachbarten Kastenstand berühren zu müssen. Im November 2016 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in einer letztinstanzlichen Entscheidung das Urteil aus Sachsen-Anhalt zur Beschaffung von Kastenständen. Damit war klar: Die Tiere müssen mehr Platz bekommen.“
Frederking: „Klöckner ignoriert Gerichte und legalisiert Tierquälerei in deutschen Ställen“
„Frau Klöckner ignoriert mit ihrem Agieren nicht nur den Tierschutz als Staatsziel, sondern auch die Rechtsprechung. Statt die Tierhalter bei der Umstellung zur Abschaffung der rechtswidrigen Praxis von in Kastenständen eingequetschten Schweinen zu unterstützen, kommt Klöckner daher, ändert für die Schweinehalter der Nation die Vorschriften und legalisiert die zuvor durch mehrere Gerichtsinstanzen monierte Tierquälerei in deutschen Ställen.
Frederking: „Entwurf zur Legalisierung der Tierquälerei umgehend zurückziehen“
„Ich fordere Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner auf diesen Entwurf zur Legalisierung der Tierquälerei in deutschen Schweineställen umgehend zurückzuziehen.“
Kastenstände sind rechtswidrig und müssen abgeschafft werden
„Kastenstände müssen abgeschafft werden. Denn sie sind rechtswidrig, da die Bewegung massiv eingeschränkt ist, die Sauen ihrem Gemeinschaftsbedürfnis und Erkundungsverhalten nicht nachkommen können und es keine Trennung von Kot- und Liegebereich gibt. Wenn die Sauen nicht einmal ihre Gliedmaßen in Seitenlage ausstrecken können, erfahren umso mehr Schmerzen, Leiden und Schäden. Da hilft auch keine Verkürzung der Käfigzeit von den derzeit zugelassenen 28 Tagen auf 8 Tage.“
„Für uns Grüne ist klar: Wir setzen uns für eine gänzlich andere Sauenhaltung ein: Keine Kastenstände mehr, Gruppenhaltung, Einstreu, jederzeit verfügbares Raufutter zum Fressen und zur Beschäftigung, ausreichend Platz zur freien Bewegung und zur Strukturierung der Bucht, Auslauf im Freien und kein Abschneiden der Ringelschwänze.“
Hintergrund:
Heutzutage liegen die Sauen in den großen, industrielle Tierhaltungsbetrieben oft wochenlang in engen Metallkäfigen eingequetscht und können sich im Extremfall im Liegen nicht einmal zur Seite legen, geschweige denn, ihre Beine ausstrecken. So wurde vor Jahren in Straathofs Gladauer Anlage bei einer amtlichen Kontrolle eine Sau mit 1,05 Meter Körperhöhe in einem Kastenstand vorgefunden, welcher nur 48 Zentimeter breit war. Tierquälerei pur. Es kommt zu Schäden am Bewegungsapparat und durch den zwangsläufigen Kontakt mit den Gitterstäben zu Hautverletzungen und schmerzhaften Entzündungen. Besonders durch die qualvolle Enge erfahren die Sauen Schmerzen, Leiden und Schäden. Dieser Missstand ist heute leider noch in vielen großen Schweinehaltungen gängige Praxis und muss spätestens jetzt umgehend bundesweit beendet werden.
Die heutige Tierschutztierhaltungs-Verordnung (TierSchNutztV) ist eindeutig, denn nach Paragraph 24 Absatz 4 Nummer 2 der TierSchNutztV muss der Kastenstand so beschaffen sein, dass jede Sau im Liegen ihren Kopf und ihre Beine ungehindert ausstrecken kann. Und genau das ist heute in der Praxis vielfach nicht gewährleistet.
In den meisten Bundesländern wird das OVG-Urteil nicht umgesetzt, in Sachsen-Anhalt nach Angaben der Landesregierung aber größtenteils schon. Siehe Antworten der Landesregierung in der Landtags-Drucksache 7/2963 vom 05.06.2018 auf eine Kleine Anfrage von MdL Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN).
Auch Tierschutzverbände haben sich gegen den Referentenentwurf des Bundeslandwirtschafts-ministeriums gestellt. Hier der Link zur gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbandes Tierschutz e.V., Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V., Deutscher Tierschutzbund, Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V., Pro Vieh und Vier Pfoten zum Referentenentwurf des BMEL inkl. Kurzexpertise zum Referentenentwurf des BMEL von Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn.
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