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29.12.23 –
Die Turbulenzen rund um den Bundeshaushalt infolge der CDU-Verfassungsklage hatten zur Folge, dass die Ampel-Regierung insgesamt 17 Mrd. Euro an Einsparungen geplant hat, um im kommenden Jahr einen verfassungskonformen Bundeshaushalt zu erreichen. Dies war auch deshalb notwendig, weil sich die FDP anderen Möglichkeiten und konstruktiven Lösungen verweigert hat.
Aus agrarpolitischer Sicht stechen dabei die beiden Einsparungen im Bereich der Landwirtschaft hervor: So sollen sowohl die Agrardieselsteuerrückerstattung als auch die Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ersatzlos gestrichen werden. Das Volumen dieser beiden Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft wird auf insgesamt 900 Mio. Euro beziffert, wozu beide Positionen annähernd gleich viel beitragen.
Aus unserer Sicht ist es wenig überraschend, dass der Aufschrei der Empörung in der Landwirtschaft nach Bekanntwerden der Streichungen sofort einsetzte. Warum wir der Meinung sind, dass die Proteste nicht grundlos sind, und warum wir das Vorgehen der Ampel-Regierung für falsch halten, möchten wir hiermit erläutern:
1.) Gerechtigkeitsempfinden
Menschen erwarten, dass Politik „gerecht“ handelt – dass also Belastungen und Entlastungen so verteilt werden, wie es dem Leistungsvermögen oder der Unterstützungsnotwendigkeit des einzelnen Menschen entspricht. In schwierigen Zeiten haben die allermeisten Menschen durchaus Verständnis dafür, wenn der Staat Leistungen reduziert oder Steuern erhöht – solange dies gerecht geschieht! Die 900 Mio. Euro, die jetzt von der Landwirtschaft erbracht werden sollen, entsprechen einem Anteil von 5,3 % an dem Gesamteinsparungen von 17 Mrd. Euro. Der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt beträgt ungefähr 0,9 %, der Anteil der landwirtschaftlich Erwerbstätigen an den Erwerbstätigen insgesamt liegt bei ca. 1,2 %
Damit ist ganz offensichtlich, dass hier ein kleiner Wirtschaftsbereich und eine kleine Gruppe innerhalb der Gesellschaft weit über Gebühr belastet wird. Das Empfinden der Bäuerinnen und Bauern ist letztendlich so: Während sich andere Erwerbstätige im kommenden Jahr über steuerfreie Inflationsprämien freuen dürfen, werden ihnen hier Zusatzbelastungen auferlegt, die im Durchschnitt für einen Haupterwerbsbetrieb ungefähr 3.500 Euro pro Jahr betragen werden. Für Betriebe in Ostdeutschland, die in der Regel größer sind, sind es sogar oft Beträge im fünfstelligen Bereich, die ihnen verloren gehen. Das wird als zutiefst ungerecht empfunden!
2.) Lenkungswirkung fragwürdig
Für eine Erhöhung des Preises fossiler Brennstoffe spricht, dass ihr Einsatz dann im Regelfall sparsamer und bewusster erfolgt. Das trifft aber nur dann zu, wenn es Alternativen gibt. Für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen stehen diese zurzeit nicht zur Verfügung – es gibt keine E-Traktoren auf dem Markt. Eine Verteuerung des Diesels würde somit zu höheren Kosten für die Betriebe, aber kaum zu einem geringeren Verbrauch führen. Außerdem würden Biobetriebe übermäßig belastet, da sie landwirtschaftliche Fahrzeuge zum Pflügen und zur Unkrautbekämpfung häufiger einsetzen. Diese Belastung wollen wir nicht.
Ebenso wenig ist für uns der Einsatz von Herbiziden wie Glyphosat anstelle einer mechanischen Unkrautbekämpfung eine Option.
3.) Wettbewerbsverzerrung und Steuergerechtigkeit
Die Einführung der Agrardieselrückerstattung erfolgte vor dem Hintergrund, dass in benachbarten Ländern der Diesel als Betriebsmittel für die dortigen Landwirtinnen und Landwirte deutlich günstiger war, was Wettbewerbsnachteile für die deutschen Bäuerinnen und Bauern in einem gemeinsamen EU- Binnenmarkt bedeutete. So werden in Frankreich bis heute Traktoren mit günstigem Heizöl gefahren. Aber auch in Belgien, Dänemark und Polen ist der Diesel für die Landwirtschaft durch niedrigere Steuersätze oder durch Steuererstattungen deutlich günstiger. Der schon bestehende Wettbewerbsnachteil in Deutschland gegenüber unseren Nachbarländern wird durch eine Streichung der Agrardieselrückerstattung somit noch vergrößert.
4.) Streichung der Kfz-Steuerbefreiung hätte weitreichende Folgen
Die bisherige Praxis der grünen Nummernschilder rechtfertigt sich dadurch, dass der Staat für die Verkehrsinfrastruktur Milliarden ausgibt, Traktoren aber den überwiegenden Teil ihrer Fahrleistung nicht auf der Straße, sondern auf dem Feld erbringen. Das ist auch ein weiterer Grund für die Agrardieselrückerstattung. Insofern erscheint es auch inhaltlich angemessen, der Landwirtschaft hier einen gewissen Rabatt einzuräumen.
Ein Wegfall der Steuerbefreiung betrifft nicht nur die Schlepper des Betriebes, sondern auch alle Anhänger und angehängte Arbeitsgeräte bis 25Km/h, die bisher nur das Folgekennzeichen des steuerbefreiten Schleppers trugen und über diesen auch versichert waren. Entfällt die Steuerbefreiung des Zugfahrzeuges müssen diese Anhänger eine eigene Zulassung bekommen, werden steuerpflichtig, versicherungspflichtig und müssen regelmäßig zum TÜV. Das trifft insbesondere kleine und vielseitige Gemischtbetriebe und letztlich auch die Dorfkultur. Das kann so nicht gewollt sein.
Fazit:
Die Abschaffung der Agrardieselrückerstattung und der Kfz-Steuerbefreiung hat zu erheblicher Verärgerung der Landwirtinnen und Landwirte geführt. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und unverhältnismäßig belastet. Auch wenn wir in einzelnen Fällen Tonfall und Wortwahl für unangemessen halten und zurückweisen, sehen auch wir hier eine Schräglage zuungunsten der Bäuerinnen und Bauern, die sachlich nicht gerechtfertigt ist und vor allem das Gerechtigkeitsempfinden massiv stört.
Eine ausgewogene und gleichmäßige Kürzung bei umweltschädlichen Subventionen und Steuererleichterungen über alle Bereiche hinweg wäre der wesentlich sinnvollere Schritt gewesen. Noch besser wäre es, dabei auch zu prüfen, welche tatsächlichen Handlungsalternativen es gibt und wie die jeweiligen Belastungen sich sozial auswirken. Denn es macht aus unserer Sicht einen erheblichen Unterschied, ob Inlandsflüge verteuert werden, die durch eine Bahnfahrt zu ersetzen sind, oder ob Agrardiesel teurer wird, zu dem es im Moment keine verfügbaren Alternativen gibt.
Deshalb halten wir an dieser Stelle eine Kurskorrektur für dringend angezeigt.
Positionierung der Sprecherinnen der Landesarbeitsgemeinschaft Landwirtschaft und Forsten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(basiert auf einem Text des Sprecherteams der LAG LFLR Niedersachsen)
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