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Landtagssitzung am 15.12.2016 | TOP 1a: Tierschutz stärken - Tierleid verhindern - Aktuelle Debatte

Video Landtagsrede am 15.12.2016: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>> Aktuelle Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs. 7/716. Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

15.12.16 –

Video Landtagsrede am 15.12.2016: Grüner Debattenbeitrag von Dorothea Frederking >>>

Aktuelle Debatte auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drs. 7/716.

Rede im Wortlaut zum Nachlesen im Transkript:

Ich freue mich an dieser Stelle, dass die Abg. Frau Frederking wieder wohlauf ist. Deswegen würde ich Ihnen das Wort geben. Bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank für das Verständnis, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. - Im vergangenen Monat gab es zwei bahnbrechende letztinstanzliche Gerichtsentscheidungen für mehr Tierschutz.

Erstens. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg hat das vom Landkreis Jerichower Land ausgesprochene Tierhaltungsverbot gegen den Schweinezüchter Straathof bestätigt. Das Verbot ist nun bundesweit rechtskräftig und unanfechtbar. Damit darf Straathof bundesweit weder Schweine halten, noch im Hintergrund über sie bestimmen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜNE, und von Dagmar Zoschke, DIE LINKE)

Zweitens. Das Bundesverwaltungsgericht hat abschließend die Verfügungen des Landkreises Jerichower Land zur Breite und Beschaffenheit von Kastenständen in Sauendeckzentren bestätigt. Bundesweit werden die Schweine nun mehr Platz bekommen müssen, um in Seitenlage ungehindert und verletzungsfrei ihre Beine ausstrecken zu können.

Diese Gerichtsentscheidungen sind Paukenschläge und geben der erforderlichen Neuausrichtung in der Nutztierhaltung Rückenwind. Anerkennung und großer Dank gelten der Veterinärbehörde des Jerichower Landes, die sich fachlich fundiert, couragiert und mit großer Hartnäckigkeit über Jahre hinweg konsequent für die Rechte der geschundenen Tiere eingesetzt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür erhält sie auch Lob aus anderen Bundesländern. In der Pressemitteilung der hessischen Tierschutzbeauftragten anlässlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sagt diese über die Behörde - ich zitiere -:

„Sie haben nicht weggesehen, sondern klare Rechtsbrüche als solche benannt. Offensichtlich kann aus der immer allseits beklagten Ohnmacht der Veterinärbehörden auch eine Macht im Sinne des Tierschutzes werden, wenn die Umsetzung geltenden Rechts ernst genommen wird.“

Erinnern wir uns: Seit zwei Jahren hält uns das Tierhaltungsverbot gegen Adrianus Straathof in Atem. Es hatte einen ganz Großen der europäischen Schweinezuchtbranche getroffen, einen Agrarindustriellen, der sich normalerweise von niemandem in die Schranken weisen lässt.

Viele Jahre hatte er gegen tierschutzrechtliche Vorgaben verstoßen und bei fast allen behördlichen Anordnungen widersprochen und sogar dagegen geklagt, ohne Einsicht und ohne Empathie für die Tiere. Es kam bei den Schweinen zu erheblichen Schmerzen, Leiden und Schäden. Ich will nur zwei Sachen erwähnen: Die Tiere bekamen nicht genug Wasser und es gab erhebliche Verletzungen vielerlei Art.

Das ungleiche Kräfteverhältnis zwischen seiner Schar von Anwälten und den Behörden schien trotz zahlreicher Ordnungswidrigkeitsverfahren, Buß- und Zwangsgeldern in Millionenhöhe sowie staatsanwaltschaftlicher Untersuchungen seinem illegalen Handeln keinen Einhalt gebieten zu können. So war das Tierhaltungsverbot als Ultima Ratio ein Befreiungsschlag für die gequälten Tiere und für die Menschen, die sich für die Tierrechte einsetzen.

Die Bestätigung des Tierhaltungsverbots durch die Gerichte wird die Behörden deutschlandweit ermutigen, bei ähnlich eklatanten tierschutzwidrigen Zuständen auch Tierhaltungsverbote auszusprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Das geltende Tierschutzrecht muss zwingend und überall durchgesetzt werden.

(Jan Wenzel Schmidt, AfD: Richtig, auch beim Schächten!)

Wir brauchen ein wirksames Kontrollsystem mit vollumfänglichen und grundsätzlich unangekündigten Kontrollen, die mit guten Routinen durchgeführt werden. Um das zu finanzieren, sollte noch einmal darüber nachgedacht werden, ob kostendeckende Gebühren hier helfen können. Es sollte aber auch überlegt werden, ob Kontrollroutinen und die Kriterien für Anordnungen vereinheitlicht werden.

Gerade bei der Kastenstandsthematik gab es immer wieder die Vorwürfe von den Tierhaltungsbetrieben, dass die Veterinärbehörden unterschiedlich streng seien und unterschiedlich beurteilen. Nachdem nunmehr in dieser Sache alle Rechtsfragen abschließend geklärt sind, sollte das zum Anlass genommen werden, die rechtlichen Vorgaben einheitlich von der Verwaltungsseite umsetzen zu lassen.

Mit der bundesweiten Gültigkeit sind die Bedingungen nun für alle gleich und es gibt keine Wettbewerbsverzerrungen mehr. Wir brauchen aber auch europaweit einheitliche Regelungen. Bezüglich der Kastenstände haben die Gerichte - auch veranlasst durch einen Straathof-Stall - klargestellt, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im Wortsinn und ohne Interpretationsspielräume umgesetzt werden muss. Ungehindertes und verletzungsfreies Ausstrecken der Beine muss sichergestellt werden.

Da dieses heute vielfach nicht so ist und stattdessen die Sauen eingequetscht in viel zu engen Metallkäfigen gehalten werden, wird sich in Zukunft in den deutschen Ställen viel ändern müssen. Es bleibt zu hoffen, dass Tierhalter die Veränderungserfordernisse zum Anlass nehmen, nun ganz auf Kastenstände zu verzichten.

Aber egal wie breit Kastenstände sind, sie sind nicht tierschutzgerecht, weil die Tiere ihre arteigenen Verhaltensweisen nicht ausleben können. Durch Studien wurde belegt, dass Tiere in dieser Einzelhaltung leiden und es zu psychischen Folgeschäden und Verhaltensstörungen kommt wie zum Beispiel das Stangenbeißen, das Leerkauen, bei dem sich weißer Schaum im Mund bildet, oder das Trauern, bei dem die Tiere wie ein Hund auf dem Hinterteil sitzen, sich anlehnen, den Kopf senken, die Augen geschlossen haben und apathisch sind.

Das alles ist für uns GRÜNE nicht mehr akzeptabel. Wir setzen uns deshalb für eine grundsätzliche Abschaffung von Kastenständen ein. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist hoffentlich der Anfang vom Ende des unwürdigen und qualvollen Tierleids in Kastenständen.

Da begrüßen wir auch die Initiative des Landes Sachsen-Anhalt bei der Agrarministerkonferenz in Rostock zur Anpassung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gemäß dem dänischen Modell.

Bei den beiden genannten Fällen, die jahrelang vor Gericht verhandelt wurden, hat es eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit gegeben. Verbunden mit den umfangreichen Berichterstattungen haben diese Entscheidungen die Türen von deutschen Ställen weit aufgestoßen und uns zum Hinsehen gezwungen.

(Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

Wir wissen nun, es gibt massenhaftes und erhebliches Tierleid, und das nicht nur durch illegales Handeln, so wie es bei Straathof der Fall war, sondern auch rechtlich legitimiert, nämlich durch das, was heute bei uns in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung noch alles möglich ist.

Wir haben zwei Präzedenzfälle, die richtungsweisend für den Tierschutz sind und ein Stoppzeichen für tierquälerische Haltungsbedingungen setzen. Die Causa Straathof ist ein extremes Beispiel und nicht zu verallgemeinern. Sie ist dennoch kein Einzelfall und zeigt, dass die industrielle Tierhaltung auf den Prüfstand gehört und die Bedürfnisse der Tiere in den Vordergrund gestellt werden müssen, und das nicht nur bei den Schweinen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt brauchen wir den Einstieg in eine wirklich artgerechte Nutztierhaltung. Mehr Platz im Stall, Einstreu, Auslauf im Freien, ausreichend Beschäftigungsmaterial und kein Abschneiden von Körperteilen. Das muss auch alles klar in Gesetzen und Verordnungen festgehalten werden.

Bei diesen gravierenden Umstellungen dürfen die Tierhalter nicht allein gelassen werden. Sie brauchen Unterstützung und Planungssicherheit und auskömmliche Erzeugerpreise. Mehr Tierschutz kann zum Verkaufsschlager werden. Denn die Menschen wollen mehr Tierschutz und sind auch bereit, dafür zu bezahlen. Die Landwirtschaft sollte sich deshalb öffnen und für sich gute Chancen erkennen.

Sachsen-Anhalt hat bereits Geschichte geschrieben und Steine für mehr Tierschutz ins Rollen gebracht und die öffentliche Debatte darüber befördert. Hier darf nicht nachgelassen werden, die Umkehr in der industriellen Tierhaltung weiter voranzutreiben. Wir stehen nun in der Verantwortung, die grausame Normalität in den Ställen zu durchbrechen und uns für Tierwohl und Tiergesundheit einzusetzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der SPD)


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Vielen Dank, Frau Frederking. Es gibt eine Nachfrage. Möchten Sie die beantworten?


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ja.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Herr Roi, bitte.


Daniel Roi (AfD):

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Sie haben über das Tierwohl gesprochen. Auch uns als AfD ist das ein sehr wichtiges Anliegen. Ich habe auf der Homepage Ihrer Fraktion gefunden, dass Sie sich auch zu Maasdorf mehrfach geäußert haben, Maasdorf, das Schweinehochhaus in Anhalt-Bitterfeld.

(Zuruf von Sebastian Striegel, GRÜNE)

- Herr Striegel, ja, lassen Sie mich ausreden. - Es gibt dazu auch eine Pressemitteilung, in der die Zustände gegeißelt werden. Ihre Partei, die GRÜNEN haben auch an einer Demonstration teilgenommen in Maasdorf, wo es darum ging, das Schweinehochhaus Maasdorf aufgrund der Zustände dort zu schließen. Am 21. September hat Frau Dalbert dem MDR ein Interview gegeben und sagte: „Bei den letzten Kontrollen gab es keine Beanstandungen mehr.“

Mich würde jetzt interessieren: Sind Sie als GRÜNEN-Fraktion, als Partei, als Kreisverband immer noch dafür, dass das Schweinehochhaus in Maasdorf geschlossen werden muss, oder wie ist da der aktuelle Stand?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Ich habe zum Schweinehochhaus mehrere Kleine Anfragen gestellt, die dazu dienen, auch Fakten zu beschaffen. Es ist auf eine Kleine Anfrage ganz klar geantwortet worden, unmissverständlich, auch nachzulesen, dass in Maasdorf im Brandfall die Tiere nicht gerettet werden können. Das liegt an der Architektur. Die Schweine werden über Fahrstühle transportiert. Das Gebäude ist so konzipiert, dass die Tiere nicht gerettet werden können. Deshalb muss aus unserer Sicht diese Haltungsanlage geschlossen werden. Ich habe auch schon Kontakt mit dem Landrat aufgenommen und mich in dieser Sache an ihn gewandt.


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Herr Roi, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte.


Daniel Roi (AfD):

Fordern Sie heute unter anderem die Ministerin für Landwirtschaft, die auch von den GRÜNEN ist, auf, sich dafür einzusetzen, dass das Schweinehochhaus in Maasdorf geschlossen wird? Habe ich Sie da richtig verstanden, dass Sie das heute hier fordern?


Präsidentin Gabriele Brakebusch:

Frau Frederking, bitte.


Dorothea Frederking (GRÜNE):

Sie haben mich richtig verstanden, dass ich namens meiner Fraktion dafür stehe, dass das Schweinehochhaus geschlossen werden muss aufgrund dieser eindeutigen Belange. Ich denke, bei baurechtlichen Fragen - das ist ja Brandschutz; da weiß ich nicht, ob die Zuständigkeit im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt liegt - müssten diese Behörden durchgreifen bzw. die Information geben. Wenn es im Ministerium für Landesentwicklung - - Ich weiß jetzt nicht nicht, wo das Baurecht liegt, das müsste geklärt werden.

Herr Roi, wer dafür verantwortlich ist, das ist der Landkreis. Der Landkreis ist dafür verantwortlich, und mit den Verantwortlichen stehe ich schon in Kontakt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Eva von Angern, DIE LINKE)

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